Das ist das überraschende und vielleicht auch beunruhigende Resultat meiner Dichtung: Mitteleuropa ist kein wohlgeordnetes Mosaik von Identitäten, sondern ein durch vielfältige Brüche charakterisierter Prozess. Seine treibenden Kräfte umfassen kollektive Träume, Ängste und Besessenheiten, die von der Vergangenheit und ihren Visionen ausgelöst wurden. Somit erlebt der Leser “Mittel Europa” nicht als eine lyrische Eventschau, auch nicht als eine emphatische Reflexion historischer Ereignisse. Die bereits in dem Eröffnungsband der Trilogie “Mittel Deutschland” (Göttingen 2000) erprobte Methode bekannte biblische, mythische, literarische Gestalten und historische Ereignisse mit dem Alltag zu konfrontieren, ermöglicht einen Zugang zur eigentlichen Identität der europäischen Mitte. Sie ist vielleicht mehr als eine große Erzählung als ein großes Gedicht zu begreifen ist.