Nach dem Thema „Müllers Natur“ im ersten Jahrbuch bildet das Jahr 1989 den
Schwerpunkt des zweiten. Es entwickelt sich in dieser Zeit eine besondere politische
und kulturelle Konstellation, auf die Heiner Müller reagiert und in der er
agiert. Es eröffnen sich für ihn neue gesellschaftliche und ästhetische Perspektiven
auch in Form von Unsicherheit und Widerspruch – Müller hat Schwierigkeiten mit
der Einheit.
In den vier wissenschaftlichen Beiträgen des ersten Teils untersucht Isabella
Borsutzky mit ihrem Text „Schreiben zwischen den Stühlen“ Heiner Müllers
Gedichte zur Wendezeit, Olivia Landy beschäftigt sich unter dem Titel „The Clown
of History“ mit Müllers Hamletmaschine, Falk Strehlow analysiert die Verbindung
„Einstürzende Neubauten, Heiner Müller und Jack Lang“ (1987-96) mit ihrer
besonderen Begegnung am 21. Dezember 1989, und Dora Rusciano zeigt: „Heiner
Müller liest Kafka nach der Wiedervereinigung“.
Der zweite Teil „Müller-Material“ legt einen Schwerpunkt auf das Genre des
Interviews: Am Anfang steht das wichtige, bisher nur als Tondokument vorliegende
Interview von Heiner Müller I have to learn to breathe the air of democracy
vom November 1989 in New York (mit einem einführenden Kommentar von
Kristin Schulz). Daran schließt sich die Textmontage Edles Herz / Treue Hand von
Erik Zielke und die komplementäre Bildserie ORWO von Johannes Weilandt an.
Janine Ludwig stellt als wichtigstes Müller-Fundstück dieses Jahrbuchs „Die Brigade
– Müllers DEFA-Szenarium über eine LPG“, vor, geschrieben 1958-60. Es
folgt ein Auszug aus einem Gespräch von Janine Ludwig mit Durs Grünbein vom
September 2012 mit dem neuen Titel „Von der Tragödie zum Putzmittel“ und
ein Interview von Anja Quickert mit Alexander Weigel vom Oktober 2019 mit
dem Titel „Abschied von der DDR“ vor allem zu Müllers Inszenierung Hamlet/
Maschine von 1990. Ein weiteres kleines Dokument legt Jan Knopf mit einer bisher
unbekannten handschriftlichen Notiz von Müller zu Hamlet/Maschine vom
15. Februar 1990 vor. Den Abschluss bildet ein ausführliches Gespräch (inklusive
einleitender Informationen) von Paul Barrera mit Jean Jourdheuil, dem wichtigsten
Multiplikator,
Theaterregisseur und Übersetzer von Heiner Müller in Frankreich,
vom Mai 2024 unter der Überschrift „Was man verstehen oder nicht verstehen
sollte“. Am Ende des Jahrbuchs findet sich eine Auswahlbibliographie zu Heiner
Müller für das Jahr 2024.