Die Enns

28.00 €

Order
Die Enns
Das Werden der Landschaft

Die Enns durchzieht Landschaften, die auf den ersten Blick nur wenig gemeinsam haben. Die Ursache dafür liegt in der Geologie, die den Fluss in mehrere Räume gliedert.

Der Oberlauf im Pongau entwässerte ursprünglich in die Salzach. Erst als das Geschiebe während der Eiszeit den Weg versperrte, änderten sich die orografischen Verhältnisse, sodass die Enns fortan in östliche Richtung entwässerte. Die enge Bindung an das Land Salzburg blieb aber erhalten. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es sogar Pläne, die obere Enns über einen Kanal wieder in die Salzach zu leiten, um das Holz im oberen Einzugsgebiet für die Saline in Hallein und andere Montanbetriebe zu nutzen.

Eine andere Entwicklung nahm das angrenzende steirische Ennstal oberhalb des Gesäuses. Während der Kaltzeiten der Eiszeit wurde das Tal von einem mächtigen, bis zu 1500 Meter hohen Gletscher eingenommen. Durch das mehrmalige Vordringen und Abschmelzen der Eismassen wurde der Talboden ausgeräumt und dabei um über 100 Meter eingetieft. Nach dem endgültigen Rückzug des Gletschers entstand eine von der Enns durchflossene Seenlandschaft. Durch den Geschiebe- und Sedimenteintrag verlandete diese allmählich und es entwickelten sich ausgedehnte Moor- und Feuchtgebiete. Darin eingebettet mäandrierte die Enns in weiten Bögen und setzte bei Hochwasser große Teile des flachen Talbodens unter Wasser. Eine intensive Nutzung war unter diesen Umständen nicht möglich. Das steirische Ennstal galt daher lange Zeit als Notstandsgebiet, das es durch wasserbauliche Maßnahmen trockenzulegen galt.

Ganz anders war die Situation unterhalb des Gesäuses, wo die Enns mit großem Gefälle durch ein enges Tal fließt, das sich erst unterhalb der Stadt Steyr weitet. Doch nicht die Enge des Tals erklärt die bedeutende wirtschaftliche Entwicklung dieses Raums, sondern der Ressourcenreichtum: das Eisenvorkommen am Erzberg, die Wälder im Einzugsgebiet und die Wasserkraft. Sie waren der Nährboden für eine leistungsfähige Eisenproduktion. Bereits im 16. Jahrhundert konnte sich das untere Ennstal zu einer wichtigen Wirtschaftsachse entwickeln, deren Zentren der steirische Erzberg und die Stadt Steyr waren. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg war die dezentrale Eisenproduktion. Indem ein großes Gebiet an der Eisenverarbeitung beteiligt war, konnte auf die gesamten Holz- und Wasserkraftressourcen dieses Raums zurückgegriffen werden. Das untere Ennstal war nicht nur Zentrum der Kleineisenindustrie, sondern entwickelte sich auch zur „Waffenkammer des Kaisers” und war von strategischer Bedeutung.

Das vorindustrielle Berg- und Hüttenwesen war keineswegs umwelt- und ressourcenschonend. Für die Versorgung der rasch expandierenden Eisenproduktion mit Holzkohle mussten immer unwegsamere Gebiete abgeholzt werden. Kahlschläge in exponierten Lagen erhöhten die Bodenerosion und die Gefahr von Muren. Die Fließgewässer wurden durch zahlreiche Wehranlagen und Triebwasserausleitungen der eisenverarbeitenden Betriebe und Mühlen beeinträchtigt.

Ab dem Hochmittelalter wurden das Ennstal und viele Seitentäler für die Holztrift erschlossen. Die Holzfäller schwemmten die Holzscheiter, die sogenannten Drehlinge, auf zahlreichen Bächen und auf der Enns bis nach Hieflau oder Großreifling, wo das Holz entnommen und in Meilern verkohlt wurde. Durch die Seitenerosion wurde Geröll freigesetzt, das in der Enns Auflandungen bewirkte.

Schifffahrt und Wasserbau

Der Transport von Eisen auf dem Landweg war teuer. Eine kostengünstige Alternative bot der Wasserweg auf der Enns. Flöße hatten im Gegensatz zu Schiffen den entscheidenden Nachteil, dass sie nicht mehr zum Ausgangspunkt zurückgebracht werden konnten. Da sich schon bald ein Holzmangel abzeichnete, setzte man auf Schiffe. Für deren Rücktransport musste jedoch am Ennsufer ein Rossweg angelegt werden. Ein schwieriges Unterfangen angesichts der beengten Situation im engen Kerbtal und der oft senkrecht aufsteigenden Felswände.

Hans Gasteiger, der zuvor schon den Holzrechen in Großreifling – das größte Wasserbauwerk der damaligen Zeit – errichtet hatte, erhielt 1569 den Auftrag für den Bau eines Rosswegs. Unter schwierigsten Bedingungen – teilweise musste der Weg galerieartig in den Fels geschlagen werden – schaffte er in nur sieben Jahren, was bis dahin für unmöglich gehalten worden war: einen durchgängigen Weg zwischen Steyr und Hieflau.

Wasserbau im Laufe der Zeit

Betrachtet man die wasserbaulichen Eingriffe an der Enns, so zeigen sich gravierende Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Abschnitten.

Vergleichsweise einfach waren die Maßnahmen in Strecken mit ausreichendem Gefälle, da der Fluss das anfallende Geschiebe hier weiter transportieren konnte. Um die notwendigen Wassertiefen für die Schifffahrt und Flößerei sicherzustellen, musste der Wasserbau danach trachten, den Flusslauf in überbreiten Abschnitten zu bündeln und die Seitengerinne zu beseitigen.

Andere Voraussetzungen gab es in der Strecke oberhalb des Gesäuses. Lokale Maßnahmen waren hier nicht zielführend, da sich der Fluss immer wieder verlagerte und die gesetzten Verbauungen keine Wirkung zeigten. Auch ein Versuch Anfang des 19. Jahrhunderts, das Gerinne durch die Sprengung des Gesäuseeingangs tiefer zu legen, um die Vorflutverhältnisse zu verbessern, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Die Schleppspannung nahm zu und verursachte zahlreiche Uferbrüche. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde schließlich mit einer umfassenden Planung begonnen, deren Ziel es war, den Fluss großräumig zu regulieren.

Mithilfe von 40 Durchstichen und mehreren Begradigungen wurde die Enns im Regu­lierungsabschnitt um rund 20 Kilometer ­verkürzt. Mit der Eintiefung der Flusssohle konnten auch großräumige Entwässerungen umgesetzt werden. So gibt es heute im steirischen Ennstal von ursprünglich 1500 Hektar Moorgebieten nur mehr einige Restflächen. Zudem wurden rund 2000 Hektar Streu- und Feuchtwiesen entwässert und in mehrmähdige, stark gedüngte Fettwiesen umgewandelt.

Wasserbauliche Überraschungen

Die Flussgeschichte der Enns birgt ­einige Überraschungen. So gab es bereits im 18. Jahrhundert umfangreiche Rückbaumaß­nahmen. Nicht weil schon damals Revitali­sierungen modern gewesen wären, sondern um nicht beherrschbare Gefahren abzuwenden.

Die Ausgangssituation: Die Gerinne der ­oberen Enns und der Zauch waren im Jahr 1780 bereits stark reguliert und eingeengt. Durch die hohen Schleppkräfte gelangte bei Hochwasser viel Geschiebe in die Ortschaft Altenmarkt, das hier liegen blieb und den Ortskern mehrmals verwüstete. Dazu beigetragen hatte auch eine in die Jahre gekommene Geschiebesperre an der Zauch: Der sogenannte Sandkasten brach und setzte dabei große Geröllmassen frei.

Die von der Salzburger Hofkammer angereisten Wasserbauer suchten nach den Ursachen und arbeiteten ein Sanierungskonzept aus – die „Wasser-, Werk- und Damm-Ordnung”. Darin wurde festgelegt, dass dem „Fluss wieder mehr Raum” zu geben sei, ­Verbauungen beseitigt werden müssten und „keine Verwerchungen” [Verwerkungen, Verbauungen] mehr angelegt werden dürften. Der „Sandkasten”, ein Geschieberückhaltebecken, sollte so rückgebaut werden, dass die Höhe dieser Sperre jedes Jahr um einen Baumstamm ­abgesenkt würde. Mit der zunehmenden technischen Machbarkeit geriet diese Wasserordnung jedoch allmählich wieder in Vergessenheit.

Ein Fluss wird ärmer

Mit dem Gewässerausbau nahm die Strukturvielfalt stark ab: Kiesbänke, Totholzablagerungen, Autümpel oder Steilufer sind in der heutigen Flusslandschaft selten geworden. Dieser Umstand spiegelt sich u.a. auch in der Zusammensetzung der Flora und Fauna wider. So sind einige Charakterarten der Wildflusslandschaft wie z.B. die Deutsche Tamariske verschwunden. Stark zurückgegangen sind auch die Bestände von Kiesbankbrütern wie Flussuferläufer und Flussregenpfeifer. Weiters wird die Fischfauna durch zahlreiche Unterbrechungen des Gewässerkontinuums und strukturarme Lebensräume nachhaltig beeinträchtigt. Die massiven Rückgänge der Fischbestände haben vielfältige Ursachen, zu denen u.a. die Strukturarmut der Gerinne, Migrationshindernisse, hydrologische Veränderungen, aber auch die Dezimierung durch Beutegreifer (v.a. Kormorane) zählen.

Dazu kommt noch, dass heute viele Bereiche energiewirtschaftlich genutzt werden, d.h. sie sind aufgestaut und ihrer natürlichen Dynamik beraubt. Zwar reicht die Wasserkraft­nutzung an der Enns bis ins Spätmittelalter zurück, doch waren die Wehranlagen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts niedrig und für Schiffe, aber auch für Fische zumindest zeitweilig passierbar. Mit der Errichtung größerer Kraftwerke ab den 1930er-Jahren gingen tiefgreifende Auswirkungen auf die Gewässerökologie einher. Sie betreffen nicht nur den Rückstaubereich und die Eintiefungsstrecke, sondern im Falle von Speicherkraftwerken auch die unterhalb angrenzenden Fließstrecken. Die bedarfsorientierte Wasserabgabe führt hier zu erheblichen Wasserspiegel- und Abflussschwankungen mit verheerenden Folgen für die aquatische Fauna.

Revitalisierungen

Um die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen wieder zu verbessern und für die Bewohner der Region eine attraktive Erholungslandschaft zu schaffen, beschäftigen sich mehrere Projekte mit der Aufwertung monotoner Flussabschnitte der Enns. Ziel ist es, sowohl die gewässerökologische Situation zu verbessern als auch den notwendigen Hochwasserschutz für die angrenzenden Siedlungen sicherzustellen. Ein wichtiges Anliegen ist es auch, das Gewässerkontinuum wieder herzustellen, um Fischwanderungen zu ermöglichen.

More books by Heinz Wiesbauer

Log in to get access to this book and to automatically save your books and your progress.

Purchase this book or upgrade to dav Pro to read this book.

When you buy this book, you can access it regardless of your plan. You can also download the book file and read it in another app or on an Ebook reader.

80 % of the price goes directly to the author.

ISBN: 9783991263906

Language: German

Publication date: 17.11.2025

Our shipping costs are a flat rate of €2.50, regardless of the order.
Currently, we only ship within Germany.

Shipping is free for PocketLib Pro users.

An error occured. Please check your internet connection or try it again later.