Wer Julian Schutting bisher auf seinen „vertrauten Umwegen“ gefolgt ist, weiß um die entschleunigende Kraft der Literatur. Seine Alltagsbeschreibungen folgen einem fast Stifter’schen Ebenmaß. Das tägliche Spazieren durch die Großstadt, die Beobachtung kleiner Details, gleichsam Notizen am Wegesrand, die dichterische Arbeit am Schreibplatz – all das strukturiert das Leben eines Dichters. Band 3 setzt Schuttings Tagebuchprojekt mit den Jahren 2019 bis 2021 fort – und erstmals zeigt sich im beschriebenen Alltag leise Irritation: An vielen Tagen des 2020er-Jahres kommt der Stadtwanderer an geschlossenen Geschäften, Wirtshäusern und Parkanlagen vorbei. Menschen weichen einander aus, „maskieren“ sich. Auf dem Papier reflektiert der Dichter dann über eine Göttin Corona, die es nicht gut mit dem Menschengeschlecht meint. Das geliebte Du, die Muse Etta, die seit den ersten Tagebuchaufzeichnungen den Dichter begleitet, wird plötzlich zur fernen Gefährtin, der nur noch mit Abstand begegnet werden darf. Der Alltag scheint aus dem Takt geraten, das bringt die Gesellschaft gehörig durcheinander. Der altbekannte Wanderer und Schreiber indes zieht wachsam wie eh und je seiner Wege, beobachtet und kommentiert mit feiner Ironie, was die Menschheit erschüttert …