Konflikte beruhen auf Erzählungen, die soziale Welten erschaffen. Sie erklären, wofür es sich zu kämpfen lohnt und was und wer dabei als ,Freund' und ,Feind' zu gelten hat. Auf diese Weise strukturieren sie das Denken, Fühlen, Wollen und Handeln von Subjekten. In der autobiografischen Erzählung eines Serben, die der vorliegenden Studie zugrunde liegt, tritt das deutlich zutage: Nenad erschafft darin ein Jugoslawien, in dem es in den späten 1980er-Jahren plötzlich notwendig scheint, auf die Straße zu gehen, für die serbische Nation zu kämpfen und sich als nationale Gemeinschaft leidenschaftlich gegen innere und äußere ,Feinde' zur Wehr zu setzen.
In diesem Buch wird zunächst ein theoretischer Zugang zu solchen Konfliktnarrativen erarbeitet. In Auseinandersetzung mit Ernesto Laclaus Diskursbegriff wird argumentiert, dass sie notwendige Orte der sozialen, moralischen und affektiven Organisation von subjektiven Selbst- und Weltverhältnissen sind. Anschließend wird gezeigt, wie sich die damit entstehende Heuristik auf autobiografische Erzählungen anwenden lässt, und dann wird mit ihr Nenads Mobilisierungsgeschichte aufgeschlüsselt. Die eingehende Analyse von zentralen Aspekten dieser Erzählung - etwa des Verlusts Jugoslawiens, der Veränderung der nationalen Perspektive, der Bedeutung von Gemeinschaft, aber auch von narrativen Strategien zur Sicherung von Wahrheitsansprüchen - kann dabei zum besseren Verständnis von Konfliktkonstellationen auch jenseits dieses Fallbeispiels beitragen.