Sexuelle Obsessionen, die unüberwindbare Dichotomie des Geschlechtstriebes und der daraus resultierende unvermeidliche Betrug und die individuelle Schuld; die Reste der Moral in einer säkularisierten Welt, die Entfremdung, der Autismus, die Vereinsamung; sexuelle Begierde als Gewalt, aber auch als verzweifelte Suche nach vollkommenem Sein das sind die zentralen Themen dieser Kurzprosa. Vordergründig erzählen diese Geschichten von Männern und ihren Verhältnissen zu Frauen, primär geht es jedoch um eine Krise der männlichen Identität, um Geschichten, in denen, im Zuge der Bisexualisierung der Kultur, der Neuverteilung des Männlichen und Weiblichen, die Frau die Mächtigere zu sein scheint.
Der Titel Die kalte Schulter des Labyrinths bezieht sich zum einen auf die bekannte Redewendung jemandem die kalte Schulter zeigen und zum anderen auf ein Zitat von Friedrich Nietzsche, in dem Theseus Ariadne als Labyrinth bezeichnet und darüber klagt, dass Ariadne weit bedrohlicher für ihn sei als Minotaurus.
Altmann knüpft in diesem Buch bewusst an ein Thema der Wiener Moderne an: die Krise der männlichen Identität und damit einhergehend die Angst des Mannes, zu verweiblichen. In der Geschichte Das Ekzem, zum Beispiel, empfindet die männliche Hauptfigur die durch die Verlobung mit seiner Freundin entstandene Nähe als bedrohlich. Die Verlobung macht ihm derart Stress, dass sich in der Nähe seines Genitalbereichs ein Ekzem bildet. Die Wunde könnte literaturhistorisch als Amfortas-Wunde bezeichnet werden: durch die enge Verbindung mit der Frau beginnt der Mann gleichsam zu menstruieren.
Oder in der Geschichte Wirklichkeit und Traum spielt Altmann mit den Unterschieden von Wirklichkeit und Traum und stellt die Frage nach Wahrheit, wie sich bereits Arthur Schnitzler in seiner berühmten Traumnovelle – den damals neuen Erkenntnissen von Sigmund Freud folgend – mit den Ebenen von Wirklichkeit, Traum und Wahrheit auseinandergesetzt hat.
Altmann nimmt in seinem Schreiben immer wieder gerne Bezug zur literarischen Tradition. Neben Autoren der Wiener Moderne – wie dem bereits erwähnten Arthur Schnitzler – ist in dem Text Die Todesfalle auch der Einfluss der modernen lateinamerikanischen Literatur spürbar. Dennoch sind es eigenständige Kurzgeschichten, die gleichsam wie ein Lichtkegel einer Taschenlampe für einen Augenblick in die dunklen Bereiche der menschlichen Psyche leuchten. Die Texte bringen im Alltag gerne Verschwiegenes zur Sprache und lassen – aus verschiedenen Erzählperspektiven und mittels eines präzisen Stils – in die verschiedensten Abgründe zwischenmenschlicher Beziehungen blicken.