Im Zentrum der Untersuchung steht die historische Auswertung eines 14 Bestimmungen umfassenden Gesetzestextes aus der Regierungszeit von Anastasius I. (491–518 n. Chr.). Dieses Gesetz, das in der Forschung unter dem Titel de rebus Libycis bzw. de rebus Libyae Pentapolis denuo constituendis bekannt ist, wurde auf Stein verewigt und in mehreren Städten der Kyrenaika, dem östlichen Teil des modernen Libyens, entdeckt. Diese Region befand sich am südwestlichen Rand des (ost-)römischen Reiches und wurde folglich als Grenzraum aufgefasst. Zu den wichtigsten Neuerungen der spätrömischen Zeit gehörte die Organisation eines solchen Grenzbereichs in einem Dukat, das einem als dux limitis bezeichneten Funktionsträger unterstellt wurde. In diesem Zusammenhang bieten die Bestimmungen des Anastasius einen hervorragenden Einblick in einen Akt der politischen Kommunikation zwischen der kaiserlichen Zentrale, dessen untergeordneten Verwaltungsorganen und der Peripherie des Herrschaftsraumes in der Form des dukalen Amtssprengels. In der Folge soll daher durch die systematische Analyse des Gesetzes die von den militärischen Erfordernissen geprägten Organisationsstrukturen des libyschen Dukats untersucht werden. Bei der in der Kyrenaika überlieferten Inschrift handelt es sich um eine kaiserliche Konstitution und damit um eine römische Staatsurkunde. In der epigrafischen Forschung hat in den letzten Jahrzehnten der fruchtbare Ansatz Fuß gefasst, solche Dokumente und Texte nicht mehr losgelöst von ihrem Aufstellungsort, der unmittelbar adressierten Öffentlichkeit sowie dem verwendeten Material des Inschriftträgers und im Einzelfall sogar des Monuments, welche die jeweilige Inschrift zierte, zu untersuchen.
Der libysche Militärerlass des Anastasius wurde bislang in das Jahr 501 n. Chr. datiert. Dies beruhte allerdings auf einer falschen Lesung der Kaisertitulatur. Im Rahmen der Untersuchung konnte das Jahr 492 n. Chr. als neuer terminus post quem bestimmt werden. Aufgrund dieser neuen Datierung war es möglich, die Bestimmungen des Kaisers in der Pentapolis mit der im Protokoll seiner Thronbesteigung überlieferten Forderung der hauptstädtischen Bevölkerung nach einer stärkeren Beachtung der militärischen Belange des Reiches zu verbinden. Anastasius kam dieser Forderung in seiner umfassenden Erneuerung des Militärs nach. Wie nun die libyschen Inschriften detailliert belegen, lässt sich diese Reform in zwei Teile gliedern: Im ersten Teil wurden vornehmlich reichsweite Standards etabliert, bekräftigt und feinjustiert. Im zweiten Teil wurden hingegen die speziellen Regelungen für den jeweiligen Geltungsbereich festgelegt. Es sind diese Anordnungen, die die Reform der Dukate ausmachten. Aufbauend auf den in der Kyrenaika gewonnen Beobachtungen wurden dann die übrigen Grenzbereiche des oströmischen Reiches in den Blick genommen. Dabei wurde deutlich, dass ein weiterer wichtiger Baustein der Reformen im Ausbau der militärischen Infrastruktur lag.