Die Studie untersucht Fragen der Versorgung, der Trägerschaft und der Solidarität im privaten Vereinswesen Athens und Attikas. Vor dem Hintergrund, dass private Vereine lange Zeit als Organisationsformen galten, die vor allem arme und unterprivilegierte Bevölkerungsschichten ansprachen, ging man bereits in der frühesten Forschung davon aus, dass diese Kollektive auf Gruppensolidarität beruhten und ihre Mitglieder auf verschiedenen Ebenen von substanziellen Unterstützungsleistungen der Vereine profitierten. Obwohl die Forschung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat, dass das daraus resultierende Gesamtbild privater Vereine und ihrer Mitgliederzusammensetzung alles andere als homogen ist, nicht zuletzt im Hinblick auf den sozioökonomischen Status der Mitglieder, konnte dennoch gezeigt werden, dass im gesamten antiken privaten Vereinswesen ein reiches Spektrum an Unterstützungsleistungen erkennbar ist und dass es auch Hinweise auf Gruppensolidarität gibt.
Das erste Kapitel führt in den Untersuchungsgegenstand ein, gibt einen Überblick über die einschlägige Forschungsgeschichte zum betreffenden Thema und legt Forschungsmethoden dar. Im zweiten Kapitel werden zunächst grundlegende sozialanthropologische Konzepte der Reziprozität erörtert. Anschließend werden die zentralen Merkmale von Aristoteles' Reziprozitätskonzept erörtert; dabei wird betont, dass Aristoteles' Ansatz zwischen natürlichen und künstlichen Beziehungen unterscheidet. Das dritte Kapitel konzentriert sich auf den Hafen von Piräus, wo private Kultverbände besonders charakteristisch waren und der als ihr genuiner Lebensraum bezeichnet werden kann. Das vierte Kapitel widmet sich Fragen der Solidarität und des Nutzens im Kontext von Verbänden und untersucht, welche solidarischen Nutzen unter welchen Bedingungen unter den Verbandsmitgliedern denkbar sind und ob bzw. inwieweit die Idee einer freiwilligen, mitgliederübergreifenden Solidarität als realistisch angesehen werden kann. Auch das fünfte Kapitel befasst sich mit Bestimmungen, behandelt jedoch im Unterschied zum vorherigen Kapitel die Verdienste von Vereinsfunktionären und anderen verdienten Personen, die in Ehrenurkunden in bestimmten Ämtern und Dienstbereichen geehrt wurden, um die Vereine. Das sechste Kapitel widmet sich dem bereits im dritten Kapitel angesprochenen Aspekt der Ehre als Medium der Inklusion. Wie eingangs erwähnt, ist Ehre im Kontext der Studie von zentraler Bedeutung, da sie als Gegenleistung für erbrachte Leistungen verliehen wurde. In diesem Sinne befasst sich das siebte Kapitel mit Ehrenurkunden, die die Ehrung von Dienstleistenden durch eine bestimmte Körperschaft nach dem beschriebenen Mechanismus dokumentieren. Vor dem Hintergrund, dass die reziprozitätsrelevanten Textteile der Ehrenurkunden Beziehungen abbilden, die die Grundzüge von Sahlins Reziprozitätsmustern aufweisen, wird die in diesen Textteilen verwendete Sprache in Kapitel acht unter dem Gesichtspunkt von Reziprozität und Beziehungsassoziation analysiert. Im neunten Kapitel werden diese Ergebnisse genutzt, um die in den Ehrenurkunden der Vereine dargestellten Beziehungen zwischen Vereinen und ihren Geehrten im Kontext der damals relevanten wechselseitigen Aspekte zu analysieren. Hierzu werden sämtliche Beziehungen anhand der zu wechselseitigen bzw. beziehungsbezogenen Aspekten formulierten Fragenkomplexe analysiert.
Als Ergebnis dieser Analysen konnten folgende Fakten festgestellt werden: Erstens schienen die meisten der analysierten Beziehungen mit Bezug zu Funktionären ausschließlich auf der Ebene des Dienstamtes zu erfolgen. Zweitens zeigt die Analyse der Tempusformen, der zugänglichen Zeitebenen und weiterer Zeitfaktoren, dass die Mehrzahl der Beziehungsbeschreibungen in der Vergangenheit angesiedelt ist und meist nicht länger als ein Jahr dauerte. Mehrperioden-, Gegenwarts- und Zukunftsbezüge sind dagegen eher selten. Drittens werden Mitglieder in Empfängerrollen und besondere Ausführlichkeit in Günstlingswirtschaftsfragen vereinzelt erwähnt. In wenigen Fällen wird erwähnt, dass die Mitglieder auch individuelle Gefälligkeiten erhielten. Viertens gibt es Spannungsfelder zwischen spezifischen und allgemeinen Erwähnungen, wobei die Priorisierung der Repräsentation offensichtlich eine Rolle spielt. Fünftens fielen die Beschreibungen von Beziehungen zwischen Einzelpersonen und Vereinigungen tendenziell deutlich ausführlicher aus als die Berichte über das Handeln von Freiwilligengruppen. Sechstens: Ehrenamtliche Leistungen schienen insbesondere von hochrangigen Beamten erwartet zu werden. Siebtens: Den mit Angemessenheit assoziierten Begriffen zufolge hatte die Mehrheit der Beamten offenbar die vorgegebenen Diensterwartungen erfüllt, während eine Minderheit diese Erwartungen offenbar übererfüllt hatte. Bei externen Geehrten fehlen auffällig die typischen mit Angemessenheit assoziierten Begriffe wie καλῶς. Achtens: Etwa die Hälfte der Beamten hat die Substanz bzw. die Ressourcen der jeweiligen Organisation vermehrt. Die andere Hälfte hat sie erhalten oder konserviert. Neuntens: Im Zusammenhang mit dem Reziprozitätsaspekt fällt auf, dass die am häufigsten genannten Motivationen φιλοτιμία, εὐσέβεια und δικαιοσύνη Wertkonzepte sind, die prominent mit dem Aspekt von Austausch und Ehre konnotiert sind.